Gerd Kische: Ich könnte wahnsinnig werden

Wortwörtlich: Gerd Kische / TENNEMANN Verlag, ISBN 978-3-941452-63-3

Rostock (nordPR) – Gerd Kische, die DDR-Fußballlegende, der Ex-Hansa-Präsident und Ex-Hansa-Manager im Interview mit Leif Tennemann und Jörn Pissowotzki zur Veröffentlichung des Buches „WORTWÖRTLICH: Gerd Kische“

Gerd Kische, in diesen Corona-Zeiten erscheint ein Buch zu Ihrem Leben … Wie haben Sie eigentlich bislang die Corona-Monate gemeistert?

Na, ich hab` mich an die Regeln, die aufgestellt wurden, gehalten und lebe damit ganz gut, ja.

Wie hat der Verein Ihres Herzens, der FC Hansa Rostock, die Corona-Situation überstanden?

Ja, das werden wir sehen. Im Vorjahr war zwar kein Corona, und es war auch nicht so besonders gut. Wenn das nun noch schlechter wird durch Corona, weiß ich nicht, wo sie landen.

Ist das jetzt bezogen auf den sportlichen Erfolg oder eher auf die wirtschaftliche Situation?

Na, ich denke, beide Komponenten spielen da eine entscheidende Rolle. Ohne Zuschauer oder sehr viel weniger Zuschauer gibt es auch weniger Einnahmen. Sponsorengelder fehlen. Also wird die Situation noch angespannter und die Kassen werden noch klammer.

Woran könnte es gelegen haben, dass es in diesem Jahr wieder nicht zum Aufstieg gereicht hat? Die Ausgangsposition war ja so gut wie lange nicht mehr…

Diese Frage stelle ich mir nun schon fünf Jahre lang. Immer, wenn`s drauf ankommt, versagen wir. Aber es scheint nicht ganz so schlimm zu sein. Denn wenn ich von den verantwortlichen Leuten höre: Wir haben unsere Zielstellung erreicht. Also, dann muss ich mir ja keine Gedanken machen!?

Wäre mehr Selbstkritik aus Ihrer Sicht angebracht beim FC Hansa?

Na, wenn man seine Zielstellung erreichen will, dann denke ich schon, nämlich Zielstellung war doch der Aufstieg!?

Liegt es nur an der Mannschaft, an ungünstigen Ergebnissen? Oder liegt es auch an Entscheidungen, die bei der Vereinsführung in den vergangenen Jahren falsch getroffen wurden?

Ha, da sind wir wieder beim Thema. Auf alle Fälle liegt es ganz sicher daran, dass wir Spieler nur holen können, die relativ wenig kosten und damit auch nun mal nicht zielführend für den Aufstieg sind. Na ja, mehr möchte ich dazu gar nicht sagen.

Es gibt ja zurzeit verschiedene Diskussionen, wie es wirtschaftlich weiter gehen kann: Derzeit kann der Verein gerade einmal die Zinsen seiner Kredite bedienen. Von „Umschuldung“ ist jetzt die Rede. Und die Kosten drücken immer mehr! Das Ostseestadion ist nach gut zwanzig Jahren in die Jahre gekommen. Unter anderen sind die Flutlichtanlage und die Schalensitze fällig. Da braucht es wirklich Ideen?

Eigentlich ist es ja Beweis dafür, dass der FC Hansa ganz schön marode ist. Und ich glaube, das wird sich noch verschlimmern und verschlechtern, die Gesamtsituation. Denn, wenn nur wenige  Zuschauer ins Stadion dürfen, wird es keine Einnahmen geben. Ich kann mir vorstellen, in Mecklenburg-Vorpommern wird es mit dem Sponsoring auch weniger werden und, und, und … Insofern glaube ich, dass die Voraussetzungen für den FC Hansa im Moment, in die Zweite Bundesliga aufzusteigen, sehr gering sind.

Um auf das Stadion zu kommen, ich weiß nicht, welchen Deal man dort schaffen kann. Es ändert aber gar nichts daran. Du brauchst Geld für die Flutlichtanlage, du brauchst Geld für die Schalensitze, du brauchst Geld für die Spieler. Und wenn du keine Einnahmen hast, mit der einen Million, die du vom DFB bekommst, ja damit kommst du ja hinten und vorn nicht hoch. Also insofern ist die Gesamtsituation im Moment aus meiner Sicht noch bescheidener als in den Jahren zuvor.

In Ihrem Buch sprechen Sie davon, dass Investor Rolf Elgeti für das wirtschaftliche Überleben des FC Hansa immens wichtig geworden ist in den vergangenen Jahren. Fehlt jetzt noch der ganz dicke Großsponsor, also so einer wie Red Bull oder vielleicht mal ein Scheich oder eine große Fluggesellschaft…?

Ja, das wäre so `n Traum. Aber ich glaube, der wird wohl nicht in Erfüllung gehen. So großes Interesse hat, glaube ich, kaum jemand an Rostock. Dass man das hier so aufbauen könnte, wie zum Beispiel in Leipzig.

Wann begann aus Ihrer Sicht die Fehlentwicklung beim FC Hansa?

Wenn ich zurückschaue, dann kann ich nur aus eigener Erfahrung Folgendes sagen: Wir hatten in den zehn, elf Jahren Bundesliga eine volle Kasse, hatten sehr gute Transfers. Es war eigentlich komplett für Hansa Rostock, für einen Ostverein völlig in Ordnung. Und wenn`s einem zu gut geht, dann beginnt die Schlamperei. Ich könnte jetzt auch Namen nennen und könnte Dinge jetzt von mir geben, will ich aber gar nicht. Auf jeden Fall sind die damals handelnden Personen maßgeblich für die Situation verantwortlich, in die wir uns hinein manövriert haben.

Sie haben nicht rechtzeitig den Hebel umlegen können. Das ist nicht nur bei bestimmten Personen so, sondern auch die ganze Fanpolitik spielt da mit rein. Wir haben zu einem gewissen Zeitpunkt nicht verstanden, dort auch mit aller Rigorosität vorzugehen, was man damals noch hätte machen können. Heute ist es ja scheinbar so, dass die Fanszene bestimmt, was im Verein los ist.

Sie sagen: „Wir haben, wir müssten, wir könnten …“ Ist das Ihr Hansa-Herz, was da spricht, wenn Sie „wir“ sagen?

Na ja, ich habe ja schon mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass es nach wie vor mein Verein ist. Dieser Verein, der so eine Riesentradition hat, kann nichts dafür, dass auch die Tradition mit Füssen getreten wird und kann ja nichts dafür, dass streckenweise dann in den letzten Jahren Leute es nicht verstanden haben, einen Profiverein des Fußballs zu führen.

Was hätte im Buch „WORTWÖRTLICH: GERD KISCHE“ unbedingt noch gefragt werden müssen mit Blick auf den FC Hansa?

Ich glaube, wir haben alle Dinge besprochen. Letzten Endes kommen wir immer wieder zurück auf eine fehlende Kontinuität und auf diesen eisernen Willen, was zu erreichen. Das fehlt mir. Diese Schludrigkeit, diese Nonchalance: Ach, wir werden das schon und wir können ja auch. Das kotzt mich langsam an! Um das mal so deutlich zu sagen. Wir reden immer darüber: Jetzt steigen wir auf! Und auch die Spieler und auch die Trainer und auch der Verein! Und alles ist rosarot! Und dann haben wir die Chance. Was passiert? Da verlieren wir gegen den Letzten! Und nutzen diese Chancen einfach nicht. Ich könnte wahnsinnig werden.

Hansa ist das Eine. Das Buch heißt „WORTWÖRTLICH: GERD KISCHE“. Vielen Leute, die Sie sehr gut kennen, sagen: „Mein Gott, wenn du das liest, denkst du, Gerd sitzt dir gegenüber.“ Wie ist es Ihnen ergangen beim Lesen Ihres Buches?

Na ja, erstmal ist es ja ein gemeinsames Buch von mir und den beiden Interviewern Jörn Pissowotzki und Leif Tennemann. Wir haben das ja gemeinsam gemacht.
Ich habe unser gemeinsames Buch immer wieder auch mit Schmunzeln gelesen. Ich sah lebhaft vor mir, wie das da so damals war.
Natürlich geht es in dem Buch um mich. Aber es gibt viele, die die gleiche Auffassung haben wie ich. Dass es eigentlich traurig um den FC Hansa steht. Und darum geht es ja.

Das Buch „WORTWÖRTLICH: GERD KISCHE“ ist veröffentlicht. Gibt es jetzt auch schon Reaktionen, die da sagen, dass Gerd Kische die Situation der FC Hansa zu schwarz sieht?

Das habe ich so noch nicht gehört. Und überhaupt wissen ja viele, dass ich mich recht deutlich äußere über die Verfehlungen des FC Hansa.

Es ist keine Biographie, aber „WORTWÖRTLICH: GERD KISCHE“ ist natürlich ein Abriss Ihres Lebens. Sie sehen sich immer wieder selbst in dem Buch.
Mal weg vom Fußball, obwohl das ein ganz wichtiger Teil, der entscheidende, in Ihrem Leben ist… Wie haben Sie das erlebt so beim Blättern, beim Nochmal-Draufschauen?

Also zunächst einmal glaube ich, dass wohl zu 99,9 Prozent das abgearbeitet wurde, was man von mir wissen muss beziehungsweise was ich von mir geben möchte.
Wenn man fußballverrückt ist und mit dem Namen Kische `n bissel was anfangen kann, glaube ich, hat man Spaß beim Lesen. Denn über mich wurde ja nun auch unheimlich viel erzählt und vermutet.

Gab es manchmal auch die Angst, zu viel preiszugeben?

Ach was! Ich hab‘, vielleicht darf ich das sagen, vor ein paar Tagen einen achtzigjährigen Herrn getroffen auf einer Geburtstagsfeier. Unter anderem dann auch noch ein bisschen Skat gespielt mit dem. Und der stellte mir Fragen. Das ist unglaublich. So richtig neugierig! Stimmt denn das alles, was so erzählt wird? Hast Du da mit Achim Streich das und das gemacht? Oder warum durftest Du trotzdem spielen in der Zweiten Liga und nicht Oberliga? Und ist das denn so mit der Stasi gewesen?

Also, es ist schon erstaunlich, was manche dann so im Kopf haben und für Fragen stellen. Das ist schon äußerst interessant, ja.
Und dann sind da auch so ein paar sportliche Dinge aus meiner aktiven Zeit, die da wieder hochkommen beim Lesen.
Aber, um ehrlich zu sein: Diese Zeit ist vorbei und ich konzentriere mich lieber auf die gegenwärtigen Dinge. So ´n richtiger Nostalgiker bin ich nicht. Denn ich hab´ zum Beispiel auch viel Spaß im Job derzeit. Also, diese Immobiliengeschichte, die wir da machen, die ist richtig erfolgreich. Und da freut man sich. Also, ringsum alles gut.

Also, Rentner haben niemals Zeit. Gerd Kische kann es nicht lassen! Immer irgendwie unterwegs sein?

Das wär` schlimm, wenn ich stillsitzen müsste. Ja, ich arbeite tatsächlich noch. Und das ist schon ein sehr verantwortungsvoller Job. Und darüber hinaus wissen Sie, dass ich auch noch auf Jagd gehe und seit 1974 Jäger bin. Und insofern kommt da kaum lange Weile auf.
Ach ja. Und beim Blättern in meinem Buch, als ich auf die letzte Seite gekommen bin, habe ich festgestellt, dass ich bald 69 Jahre alt bin. Und dann hat´s Klick gemacht: Mensch, so viel hast ja nicht mehr!
Aber immer noch genug!

Wortwörtlich: Gerd Kische
Gespräche mit der DDR-Fußballlegende, dem Ex-Hansa-Präsidenten und Ex-Hansa-Manager
Interviewer: Jörn Pissowotzki & Leif Tennemann
Verlag: TENNEMANN Buch- und Musikverlag
1. Auflage, Februar 2020
184 Seiten, Taschenbuch
19,95 €
ISBN 978-3-941452-63-3

Eine honorarfreie Übernahme und Veröffentlichung der Meldung ist jederzeit möglich bei Nennung der Quelle „nordPR“
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„Der Familienpapagei“, Siegfried Jürgensen / Coverbild: TENNEMANN media/ Cover-Zeichnung: Siegfried Jürgensen
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E-Mail von tauhus / Cover: TENNEMANN Buchverlag

„Een lütten Sparling bün ick man“, Hörbuch-CD / TENNEMANN Buch- und Musikverlag ISBN 978-3941452329

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