Die Breitling-Stompers-Story

Die Breitling Stompers ( ihre Geschichte aus der CD „Wenn du glücklich bist … 30 Jahre Breitling Stompers“)

BREITLING STOMPERS die Besetzung zum 30jährigen Jubiläum 2016 Foto: Breitling Stompers

BREITLING STOMPERS
die Besetzung zum 30jährigen Jubiläum 2016
Foto: Breitling Stompers

Dies ist die Geschichte einer Dixieland-Band, die über viele Jahre immer mal wieder ohne Trompeter aufgetreten ist. Und das geht?
Also der Reihe nach: Alles begann vor 30 Jahren am 21. April 1986. Da hatten die Breitling Stompers ihren ersten Auftritt in der legendären Rostocker Bierkneipe „Wappenklause“
am Doberaner Platz. Doch halt! Eigentlich hat alles noch viel früher begonnen.
Es gab da einen jungen musikbesessenen Mann namens Detlef Pielucha. Er studierte zunächst an der Musikhochschule Hans Eisler in Berlin und wurde schließlich klassischer Schlagzeuger mit Staatsexamen.
Nach rund zehnjähriger Orchesterpraxis absolvierte Detlef ein musikwissenschaftlich-
pädagogisches Zusatzstudium an der Uni Rostock. Bei der Themensuche für seine Diplomarbeit hatte der angehende Musiklehrer damals eine Idee.
„Ich wollte nicht die 286. Arbeit über ein Klavierkonzert von Mozart schreiben, also war mein Thema die Dixieland-Szene in der DDR“, erinnert sich Detlef Pielucha. Es zeigte sich, nun sogar wissenschaftlich begründet, dass die drei Nordbezirke des Arbeiter- und Bauernstaates in Sachen Jazz ein nahezu blütenweißer Fleck auf der Landkarte waren.

In diese Zeit fi el auch ein Gespräch mit Erich Knebel, dem Gründer und Organisator des renomierten Internationalen Dresdner Dixilandfestivals. Auf die Frage, ob es denn
auch in Rostock oder im DDR-Norden eine Oldtime-Jazzband gebe, mussten die Besucher
von der Küste immer wieder mit Nein antworten.
Der letzte Auslöser allerdings war wenig später eine Bierrunde in der Rostocker Wappenklause. Am Stammtisch saßen Detlef Pielucha, inzwischen Musikredakteur, und
Reinhard Risch, Kulturredakteur, beide beschäftigt beim in der DDR sehr beliebten legendären Rostocker Radiosender FERIENWELLE. Mit am Tisch saß ebenfalls Norbert
Risse, der junge Wappenklausen-Wirt, der einfach mehr wollte als nur Bier verkaufen.
An diesem Abend entstand sie wirklich, die Idee, eine Dixielandband in Rostock zu
gründen, die in regelmäßigen Abständen ja auch in der Wappenklause aufspielen
könnte. „Detlef mach mal!“ hieß es damals´dann nach vielen Bieren.

Die ersten Proben für die neue Band gab es im September 1985. Anfangs im Saal des
alten Kulturhauses der NEPTUN-Werft. Da roch es am Abend immer wenig appetitlich
nach kaltem Essen der Früh- und Spätschicht.
Die meisten der ersten Bandmitglieder kannten sich vom Rostocker Stabsmusikkorps der
Volksmarine, in dem vor allem Sinfonische Blasmusik und Märsche gespielt wurden. Dementsprechend klangen die ersten Proben nach allem Möglichen. Nur nicht nach Dixieland.
Irgendwie war es eher fröhliche Blasmusik. Denn zu den mühevoll abgehörten und dann
selbst aufgeschriebenen Noten musste noch etwas anderes kommen: Feeling, Inspiration,
Improvisation. Eine ziemliche Umstellung für alle beteiligten Musiker, auch für einen
klassischen Schlagzeuger.

Die Breitling Stompers 1986 vor dem legendären Bierlokal "Wappenklause" am Doberaner Platz in Rostock (Foto: Breitling Stompers)

Die Breitling Stompers 1986 vor dem legendären Bierlokal „Wappenklause“ am Doberaner Platz in Rostock (Foto: Breitling Stompers)

Zur Gründungsformation gehörten Siegfried Rosin (Klarinette), Günter Kaiser (Alt Saxofon), Detlef Pielucha (Schlagzeug), Torsten Helm (Posaune), Reinhard Risch (Banjo), Reiner Gutewort (Bariton-Saxofon) und Andreas Jessat (Bass).

„Geht nicht gibt’s nicht“ war ihr Motto. Zum ersten Konzert der neuen Breitling Stompers
luden die Musikanten dann auch gleich die Rostocker Kulturprominenz ein. Im
Rückblick, so die Musikanten heute, hatte, das schon etwas leicht Größenwahnsinniges.
Schließlich hätte es auch schiefgehen können.
Doch die Musiker registrierten an jenem Abend vom ersten Augenblick an Wohlwollen.
„Es war, als hätte man auf uns gewartet: Eine Wahnsinns-Stimmung.“, sagen die, die damals beim ersten Mal dabei waren. Da störte es auch nicht, dass die Breitling Stompers für ihren ersten Auftritt nur ganze acht Stücke drauf hatten. Als die gespielt waren, fing man einfach wieder von vorne an. Und das Publikum feierte.
Fortan war immer der dritte Donnerstag im Monat mit Dixieland in der „Wappenklause“
Kult – weit über Rostock hinaus. Eintrittskarten beim Wirt Norbert Risse mussten Monate vorher geordert werden. In Spitzenzeiten waren die Termine mehr als ein Jahr im Voraus ausverkauft.
Die Leute tanzten auf den Tischen. Das hatte Rostock noch nicht gehört und gesehen.
Unter der Überschrift „Swingende Grüße von der Küste“ schrieb damals die Ostsee Zeitung:
„Wenn die ‚Lütt Anna Susanna‘ und der berühmte mecklenburgische ‚Pott mit Bohnen‘, Brechts ‚Mackie Messer‘ – Song oder der Evergreen ‚Wochenend und Sonnenschein‘ in so urwüchsig swingender Dixieland-Manier geboten werden, zuckt’s einem schon in den Beinen, und das Bier schmeckt noch einmal so gut.“ (Hilmar Franz, OSTSEE
ZEITUNG, 21.April 1987)

Auff allend war, dass bei den Breitling Stompers das Alt-Saxofon die Leadstimme übernahm, die beim Dixieland eigentlich der Trompete vorbehalten ist. Der Grund war: Die Bandmitglieder hatten keinen passenden Trompeter gefunden.

Für die nächsten zehn Jahre war die Wappenklause jetzt das Zuhause der Breitling Stompers. Aber es ging auch immer öfter hinaus in die nicht ganz so weite Welt der DDR als Fernseh-Talk-Live-Band zu „Musik und Snacks vorm Hafen“, zur 750-Jahr-Feier nach Berlin, zur VISITE – Sendung, in die TV-Hafenbar „Klock acht achtern Strom“.
In den TV-Shows spielten die Breitling Stompers damals noch meistens live!

Darüber hinaus gab es reichlich „Muggen“, was im DDR-Umgangsdeutsch unter Künstlern für „musikalisches Gelegenheitsgeschäft“ oder „Musik gegen Geld“ stand.
Die Breitling Stompers spielten beim Familienfest ebenso wie bei großen Feiern und zuweilen auch mal vor gaaanz wichtigen Persönlichkeiten.
So wie an jenem Silvesterabend Ende der 80er Jahre. Da hatte die staatliche Konzert- und Gastspiel-Direktion den Breitling Stompers gleich zwei Auftritte vor führenden Genossen an der Ostsee vermittelt.
Zunächst spielten die Breitling Stompers auf der privaten Jahresendparty von Politbüromitglied Egon Krenz, der immerhin als zweiter Mann hinter Erich Honecker galt. Krenz war absolut locker drauf. Während die Musiker ihre Technik aufbauten, kam er
in den Raum mit den Worten: „Hallo, lasst euch nicht stören, Jungs!“ Dann setzte sich
der große Berliner Genosse in einen Sessel, schaltete den Fernseher ein und schaute
die heute-Nachrichten im ZDF.

Wenig später am gleichen Abend waren die Breitling Stompers dann engagiert im FDGB-Heim Graal-Müritz zur privaten Silvesterfeier von Harry Tisch, ebenfalls SED-Politbüro-
Mitglied. „Ich wollte mich beim Publikum dafür entschuldigen, dass wir ohne Trompete spielen – was ja für Dixie nicht ganz stilecht ist – und sagte, dass wir keine kriege konnten. Ich meinte natürlich nicht das Instrument, sondern einfach die Besetzung mit einem Trompetenspieler. Das bekam Harry Tisch natürlich in den falschen Hals: Er dachte, ich will mich bei ihm über die DDR-Misswirtschaft beschweren und war äußerst ungehalten“.
So richtig lachen kann Detlef Pielucha darüber auch heute noch nicht. „Wir hatten schon Bammel, dass da was Dickes nachkommt. Von Freunden durften wir uns noch nach Jahren augenzwinkernd anhören: Na, Detlef, hat euch Harry Tisch schon eine Trompete geschenkt?“ Vielleicht hatten Harry Tischs Eskapaden und sein Alkoholproblem damals dafür gesorgt, dass die Silvester-Trompete keine Folgen hatte.

Breitling Stompers in Kiel am 12.November 1989 (Foto: Breitling Stompers)

Breitling Stompers in Kiel am 12.November 1989
(Foto: Breitling Stompers)

Nach der Maueröff nung dauert es ganze drei Tage, bis die Breitling Stompers zum ersten Mal im Westen aufspielen. Im Anschluss an ein Konzert am 11. November in Wismar beschließen die Breitling Stompers spontan, nicht nach Hause zu fahren. In dieser Nacht machen sie sich auf in Richtung Westen, reihen sich ein in die kilometerlange Schlange am Grenzübergang Schlutup, warten Stunden und treffen am Morgen um acht Uhr in Kiel ein.
Am 12. November 1989 dann stehen die Rostocker Breitling Stompers – ausgestattet mit Technik von den Kieler Nachrichten und beworben von RSH (Radio Schleswig-Holstein) – in der Fußgängerzone der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt. Der spätere Kieler Oberbürgermeister Norbert Gansel nahm persönlich einen Hut in die Hand und sammelte beim begeisterten Publikum den Musikantenlohn ein.
Die Stompers zählten mit zitternden Fingern hinterher das Geld. Immerhin waren einige
D-Mark zusammen gekommen.
Am nächsten Tag zitieren die Kieler Nachrichten auf der Titelseite die Rostocker Musikanten mit den Worten: „Wir wollten den Kielern einfach nur ein Ständchen bringen. Was wir dann erlebten, war der reine Wahnsinn.“
Bei jenem Auftritt in Kiel entstanden Freundschaften, die bis heute andauern.

Während viele andere DDR-Bands in den folgenden Monaten auseinanderbrechen, rücken
die Breitling Stompers in der Wendezeit nur noch näher zusammen: Fernsehen, Radio, Live-Konzerte – überall, wo Stimmung mit Stil gebraucht wird, sind die Breitling Stompers dabei.
Für die Musiker, die alle noch andere Berufe haben: Musiklehrer, Versicherungsmakler, Unternehmer oder promovierter Biologe – eine erstaunliche Karriere.

Ein Höhepunkt ist sicherlich im Juni 1990 der Auftritt als Vorband von Peter Maff ay. Das
Rostocker Ostseestadion voll bis auf den letzten Platz. Das war für die Breitling Stomper Gänsehaut pur und ein Gefühl, das man nicht vergisst.

Soviel Dixie-Spielfreude bei den Auftritten wollen viele Fans natürlich auch mit nach Hause nehmen. Und so erscheint 1995 die erste CD „Hallo kleines Fräulein“.

Beim Rostocker Konzert von Udo Lindenberg am 7. Mai 1996 spielen die Breitlin Stompers mit bei der Dixie-Sequenz in „Alles klar auf der Andrea Doria“.
Von Rundfunk und Fernsehen werden sie in jenen Jahren häufi g eingeladen. Ob „ZDF-Fernsehgarten“ oder „Kein schöner Land (ARD)“ – wenn es nördlich wird, ist die Dixieland-Crew von der Ostsee oft mit dabei.

Im Juli 1997 werden die Breitling Stompers engagiert zum Grillabend des FC Bayern München. Die Fußballmillionäre von der Isar absolvieren ein Trainingslager in Waren  an der Müritz. Die Musikanten aus Rostock spielen auf im Hotel ‚Ecktannen‘ und kommen in den Spielpausen mal eben ins Gespräch mit Ulli Hoeness, Karl-Heinz Rummenigge oder Oliver Kahn.

Wenige Tage später geht es ins schwedische Karlskrona. Reichlich Übungsarbeit im Vorfeld für Bandmitglieder. Die Ansagen sollen schließlich auf Schwedisch erfolgen:„Goddag, Hej! Hjärtigt välkommen säjer de Breitling-Stompers fran Rostock.“

In jene Zeit fällt übrigens auch ein Auftritt der Stompers bei einer Silvester-Party, auf der die Gäste, alles andere als Freunde des gepfl egten Dixiesounds, irgendwann „richtige Musik“ verlangen. Also legte Schlagzeuger Detlef irgendwann CDs auf, in der Hoffnung, dass der Silvesterabend bzw. Neujahrsmorgen ohne handgreifliche Unmutsäußerungen
der Gäste ausklingen möge. Alles ging gut! Und Dixieland wurde auch gespielt!

Zwischen all den vielen Auftritten landauf, landab sind irgendwann 15 Jahre vorbei mit Dixieland von der Küste.

Breitling Stompers 15. Geburtstag im Jahre 2001 (Foto: Breitling Stompers)

Breitling Stompers 15. Geburtstag im Jahre 2001
(Foto: Breitling Stompers)

Am 16. Juni 2001 steigt das Jubiläumskonzert im Kurhausgarten Warnemünde. Ein tolles Fest für Fans, Freunde und einstige musikalische Mitstreiter.
Auf Plakaten las man: „Wenn Breitlings Dixieland erklingt, die Seele in den Himmel springt!“ oder „Wo, wo liegt Dixieland?, fragte man uns als Teens. Die Antwort heißt am Ostseestrand und nicht in New Orleans!“ Die zweite, lang erwartete CD „Wochenend und Sonnenschein“ war rechtzeitig zum 15. Band-Jubiläum fertig geworden. Damals war dann übrigens auch wieder einmal ein Trompeter mit von der Partie.
Der letzte Titel auf diesem Silberling heißt übrigens nicht zufällig „Hanse-Sail und Sonnenschein“. Denn das große Windjammertreff en in Rostock und die Breitling Stompers gehören schon seit vielen Jahren zusammen. Roland Methling, damals Hanse-Sail-Chef und später Oberbürgermeister von Rostock, sagte damals: „Wo sich Ostseewellen frisch und frech kräuseln, sind die Breitling Stompers nicht weit. Mit dem Blick über See – Menschen bei bester Stimmung zusammenführen – was passt besser zur Hanse Sail in Rostock?“
Und so steigt dann auch das große Jubiläumskonzert zum 20. Geburtstag der Breitling Stompers am 12. August 2006 auf der Hanse-Sail-Bühne im Rostocker Stadthafen. Wieder einmal mit Trompeter.

Sie sind nicht nur die dienstälteste Dixieland-Band Mecklenburg-Vorpommerns, genau genommen sind sie auch immer noch die wohl einzige Musikformation dieser Art im Nordosten.
Alle Bandmitglieder sind ausgebildete Musiker und betreiben ihre Musik als liebgewordenes ernsthaftes Hobby. Ernsthaft heißt in diesem Fall auch, dass die Band im Gegensatz zu mancher Freizeit-Combo auch heute noch regelmäßig probt.

30 Jahre Breitling Stompers – das ist immer noch fröhliche und tanzbare Dixieland-Musik. Neben bekannten Standards des Oldtime-Jazz gehören Schlager der dreißiger und vierziger Jahre ebenso zum Programm wie wunderbare Stücke aus der großen Zeit der Swing-Orchester.
Zum 30jährigen Bestehen der Band holten sich die Breitling Stompers eine junge professionelle Sängerin dazu, die das Repertoire mit vielen tollen Titeln der Jazzgeschichte bereichert.

Die Breitling Stompers, so sagen manche, haben immer versucht, am Swing orientierte Dixieland-Musik und nicht lupenreinen New Orleans Jazz zu spielen. Das sei diese ganz
besondere Note und auch ein wenig das Geheimnis ihres langjährigen Erfolges …

Doch fernab jeder Musiktheorie: Freude an der Musik und am gemeinsamen Musizieren und Begeisterung, die sich auf andere überträgt – das waren und sind die Breitling Stompers damals, heute und auch morgen.
Und das geht eben mal mit und auch mal ohne Trompeter …

Leif Tennemann (im Mai 2016)

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