Rudolf Tarnow (niederdeutscher Autor)

Rudolf Tarnow,

Rudolf Tarnow wurde am 25. Februar 1867 in Parchim als ältester Sohn des Schuhmachers Heinrich Tarnow geboren.
Von 1873 bis 1881 besuchte er die Mittelschule in Parchim. Mit gutem Schulabschluß – noch heute wird ein besonders gelungener Aufsatz von ihm im Stadtarchiv aufbewahrt.
Nach der Schule begann eine Rudolf Tarnow eine kaufmännische Lehre in der Tuchfabrik Parchim.
1887 wurde er zum Militärdienst in seiner Heimatstadt einberufen. Nach seiner Wehrpflichtzeit blieb Rudolf Tarnow als Berufssoldat und diente am Ende als im Range eines Wachtmeisters Zahlmeistergehilfe beim Dragonerregiment Nr. 17 in Ludwigslust.
1896 heiratete er Erna Bruns. Aus dieser Ehe gingen die drei Kinder Walter, Elisabeth und Rudolf hervor.

1906, nach seiner Dienstzeit beim Militär, trat Tarnow die Stelle des Betriebsinspektors an der Nervenheilanstalt Sachsenberg bei Schwerin an. Bereits in diesen Jahren verfaßt Tarnow Geschichten und Gedichte in niederdeutscher Mundart, die zunehmend begeistert aufgenommen werden.
1910, zu den Feierlichkeiten anlässlich des 100. Geburtstages von Fritz Reuter, begann Rudolf Tarnow seine plattdeutschen Schriften zu veröffentlichen.  Tarnows Gedicht „Ein Randewuh im Rathaus zu Stavenhagen“  wurde am 7. November bei der  Grundsteinlegung des Reiterdenkmals in Stavenhagen  im Fundament vermauert. Diese Zeilen erschienen dann auch  als Sonderdruck der Stavenhagener Buchdruckerei Beholtz.
Von nun ab schrieb Rudolf Tarnow regelmäßig  Gedichte und Abhandlungen, die er nun auch fortlaufend drucken ließ. Die bereits seinerzeit besonders erfolgreiche und bekannteste Gedichtsammlung war die „Burrkäwer“-Reihe.
Insgesamt erschienen über die Jahre 1911 bis 1918 sechs Bände. In den ersten drei Büchern standen  Geschichten aus dem Leben im Mittelpunkt, welche die kleinen und großen Schwächen der Menschen auf die Schippe nahm.

In den letzten drei Bänden der „Burrkäwer“ um den Ersten Weltkrieg herum huldigt Tarnow immer stärker einem „ Hurra-Patriotismus“.
Auch seine Rudolf Tarnows Neujahrsgedichte zeigen zunehmend deutlich seine politische Position auf. So fordert er u.a. für Deutschland einen „Führer“ wie Benito Mussolini in Italien. 1933, kurz vor seinem Tod, begrüßte Rudolf Tarnow dann ausdrücklich die Machtübernahme Adolf Hitlers in Deutschlands.

Ganz besonders bekannt wurde sein „Köster Klickerman“, der 1921 erschien. Tarnows Kindheit und das besondere Verhältnis von Schule und Kirche in jener Zeit wurden höchst unterhaltsam thematisiert.
Rudol Tarnows Liebe zu Kindern wird erlebbar  u.a. in dem Kinderbuch „Rüter-Püter“ (1924) und dem Gedichtband „Ringelranken“ (1927) .

Am 19. Mai 1933 verstarb Rudolf Tarnow an den Folgen seines langjährigen Herzleidens. Am 23. Mai 1933 wurde Rudolf Tarnow, damals ein absoluter niederdeutscher Bestseller-Autor, unter großer Anteilnahme der Öffentlichkeit beigesetzt auf dem Friedhof Sachsenberg, heute eine denkmalgeschützte Parkfriedhofsanlage auf dem Gelände des Schweriner Klinikums.
Bei der Beerdigung von Rudolf Tarnow wurde übrigens damals nach vielen Jahren erstmals wieder eine plattdeutsche Grabrede gehalten durch Pastor Schooff. Der Gottesmann schloss mit den Worten: „Väl Minschen hett dat Hart fröhlich makt!“

Heute sind viele Straßen und Schulen in Mecklenburg-Vorpommern nach Rudolf Tarnow benannt.

Ein typisches Tarnow-Gedicht aus der Sammlung „Ringelranken“ (1927) ist „Mötst di nich argern“:

MÖTST DI NICH ARGERN (Der Dichter in seiner Zeit)

Mötst di nich argern, hett keinen Wiert,
Mötst di blot wunnern, wat all passiert,
Mötst ümmer denken, de Welt is nich klauk,
Jeder hett Grappen, du hest se ok!

Mötst di nich argern, hett keinen Sinn,
Ward di blot schaden un bringt nix in,
Ward an di fräten as Qualm un Rook,
Is’t nahst vergäten, büst grad so klauk.

Mötst di nich argern, is Unrecht di dahn,
Haug mal up’n Disch un gliek is’t vergahn,
Kort is dien Läben un lang büst du dod,
Minsch, blot nich argern, ne, lachen deiht gaud!
Rudolf Tarnow (1927)
„Mötst di nich argern“ – vielen Menschen in Norddeutschland hat Rudolf Tarnow mit diesem Gedicht ein Lebensmotto geliefert. Vielleicht gerade weil der Dichter, der für seinen Humor geliebt wurde, auch den Tod nicht verschwieg:

„Kort is dien Läben
Un lang büst du dod,
Minsch, blot nich argern,
Ne lachen deiht gaud!“

Tarnow hat diese Zeilen ernst genommen und mit seinen Versen die Zeitgenossen und Nachgeborenen zum Lachen gebracht. Das Rezept dafür lautet: „Dor kümmt doch ümmer wat dormang!“. Denn irgendwas läuft immer schief in seinen plattdütschen Riemels. Und
dann lachen wir, natürlich über die Richtigen.
Bei Tarnow machen sich zumeist Leute von Stand lächerlich, die Hochnäsigen und
Überheblichen. Dem plietschen Verstand der kleinen Leute sind sie einfach nicht gewachsen. Deshalb müssen sie passen, der „oll General von Söbenstiert“, die „Exzellenz Herr Hofmarschall“, oder der „Herr Supperdent“.
Rudolf Tarnow hat aber auch die Welt der Bauern und Tagelöhner beschrieben, der Matrosen und Handwerker. Und natürlich kommt es hier ebenfalls zu komischen Verwicklungen.  Aber, so steht’s im Vorwort zum zweiten Band der „Burrkäwers“, seine Leser sollen sich einfach nur darüber amüsieren, gemeint sind immer die Anderen:

„Ick hew poor Läuschen rünnerschräwen
Un hew dor mienen Spaß mit dräben,
Grad as de Minschen dat verdeint,
Di hew ick aewer nich mit meint,
De annern würd ick blot beschrieben,
Um Di de Tied mit tau verdrieben.“

Rudolf Tarnow schrieb in der Tradition der mecklenburgischen Läuschen. Das kam an beim Publikum, und deshalb wurden die ersten drei Bände der „Burrkäwers“ auch ein so großer Erfolg. Die sogenannten Kriegsbände vier bis sechs – alle entstanden in den Jahren 1914 bis 1918 – fanden später kaum Beachtung. Sie seien „herzlich unbedeutend“, urteilte die niederdeutsche Literaturzeitschrift „Quickborn“ über die oft chauvinistischen Texte.

Rudolf Tarnow ist mit seinen augenzwinkernden und lebensklugen Gedichten, mit seinen ebenso deftigen wie komischen Riemels in Erinnerung geblieben. Der Mecklenburger zählt noch immer zu den populärsten plattdütschen Autoren in Norddeutschland. Entwaffnender Humor, gesunder Menschenverstand, Lebensweisheit und Mutterwitz waren die Zutaten seiner Texte.

Auch heute stehen die Tarnow-Texte hoch in der Gunst des Publikums, denn sie sind zum Vortragen wie geschaffen. Rezitatoren, Zuhörer und Leser, sie alle sind sich einig: Tarnows Reimschwänke und viele seiner Gedichte gehören zum Witzigsten, was die niederdeutsche Literatur zu bieten hat. Das liegt vor allem an ihrer kunstfertigen Komposition: Wir wissen, dass irgendwann die Pointe kommt. Aber Tarnow zögert sie geschickt hinaus, nimmt komische Umwege. Wir ahnen sogar, wie es ausgehen könnte. Und werden dann doch überrascht. Und selbst wenn wir den Knalleffekt schon kennen – beim nächsten Mal ist er genau so schön.
(Rainer Schobeß im Booklet der 2-CD-Box „Mötst di nich argern – Das große Rudolf Tarnow-Hörbuch, ISBN 978-3-941452-54-1 , TENNEMANN Musik- und Buchverlag)

 

Werke:
Ein Randewuh im Rathaus zu Stavenhagen, Festgedicht zur Grundsteinlegung des Fritz Reuter-Denkmals in Stavenhagen, 1910
Burrkäwers (6 Bände), 1911–1918
Köster Klickermann, Landschullehrerepos, 1921
Rüter-Püter,  1924
Ringelranken, Kindergedichte, 1927
Mein sogenannter Werdegang, Erinnerungen, 1927
De Lübecker Martensmann, Bühnenstück, 1928

Mötst di nich argern – Das große Rudolf Tarnow Hörbuch
TENNEMANN Musik- und Buchverlag
ISBN 978-3-941452-54-1

2018 erschien die 2-CD-Box „Mötst di nich argern – Das große Rudolf Tarnow-Hörbuch“ mit unterschiedlichen Tarnow-Rezitatoren und Tarnow-Liedern  sowie einem reich bebilderten Booklet, ISBN 978-3-941452-54-1 , TENNEMANN Musik- und Buchverlag)

 

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